„Liebe ist der höchste Grad der Arznei” meinte einmal Paracelsus. Genau diese Ansicht vertritt auch Dr. Jordi Campos – Arzt und Ganzheitsmediziner, „eingefleischter,” gebürtiger Vegetarier dritter Generation und veganer Rohköstler. „Ganzheitsmedizin, Vegetarismus, Spiritualität: welche Botschaft hat meine Krankheit” ist eines seiner bekanntesten Bücher. Antworten zu diesen Themen gibt er jetzt in einem Interview mit Katharina Fuchs.
Fuchs: Sie sind Arzt, Ganzheitsmediziner und Befürworter einer roh veganen Lebensweise. Sie sind von Kindheit an ein „eingefleischter” Vegetarier und bis jetzt lehnen Sie tierische Lebensmittel kategorisch ab. Haben Sie trotzdem Zeiten erlebt, in denen Sie Gusto auf Fisch oder Fleisch verspürten?
Campos: Immer mehr Menschen werden zu Vegetariern, Veganern und Rohköstlern aus gesundheitlichen, aber auch aus ethischen Gründen, wie Mitgefühl und Liebe zu den Tieren und zur Natur.
Ich bin Vegetarier dritter Generation und dankbar, dass ich von meinen Eltern so erzogen worden bin. Lust auf Fleisch oder Fisch essen habe ich nie verspürt, eher das Gegenteil. Schon der Anblick oder der Geruch von Kadavern und Tierleichenteilen in Form von Fleisch oder Fisch ekelten mich. Ich liebe Tiere und ich setze mich als Arzt und Tierschützer für eine Veggie-Welt ohne Tierleid ein.
Die meisten Menschen ekeln sich und es wird ihnen sogar übel, wenn sie Blut oder tote Tiere sehen. Das, was ihnen an Fleisch oder Fisch eigentlich schmeckt, sind die Gewürze, Salz sowie die Aromastoffe, die sich durch das Kochen und Braten geschmacklich bilden. Kaum jemand könnte Fleisch oder Fisch in rohem Zustand essen.
Der Bauch der Menschen ist zum Friedhof der Tiere geworden. Jedoch wären viele Menschen Vegetarier, wenn sie die Tiere selbst töten oder schlachten müssten, die sie verzehren möchten. Um Fleisch oder Fisch zu essen muss man immer Tiere töten: Es ist grausam und bedeutet, lieblos und blind zu sein. Es sind weltweit jedes Jahr ca. 65 Milliarden Tiere, die für den menschlichen Verzehr getötet werden! Es wäre gut, wenn die Menschen das große Leid der Tiere in den Fischerschiffen, Aquakulturen, Ställen der Massentierhaltung und Schlachthöfen sehen würden. Wenn eine Metzgerei mit grausamen blutigen Fotos der Tier-Schlachtung ihren Laden dekorieren würde, würden sie viele Kunden verlieren.
Warum haben so viele Menschen das Bedürfnis ein Haustier zu besitzen? Weil unsere wahre Natur die Liebe zu den Tieren ist und nicht das Töten.
Fuchs: Wenn man bedenkt, dass Sie von Ihrer Kindheit an tierische Lebensmittel meiden und zudem seit längerer Zeit eine vegane Rohkost verkörpern, kann man auf mehrjährige Erfahrung zurückgreifen. Daher meine Frage an einen Experten vom Fach: Warum sind tierische Eiweiße,
wie Milch, Eier, Käse, Fleisch und Fisch Ihrer Ansicht nach nicht vertretbar?
Campos: Die tierischen Eiweiße sind die Ursache für zahlreiche Zivilisations-Krankheiten. Durch eine vegane Ernährung könnte man sich viele Medikamente, Operationen oder den Besuch beim Allergologen, Rheumatologen, Gastroenterologen, Onkologen, Dermatologen und HNO-Arzt sparen.
Die Verdauung und der Stoffwechsel von tierischem Eiweiß hinterlassen zahlreiche krankmachende Abfallprodukte, z.B. Harnsäure, Ammoniak, Harnstoff, Putrescin und Cadaverin, die Fäulnisprozesse, Entzündungen und Schmerzen fördern. 80% der Zivilisationskrankheiten sind ernährungsbedingt und viele davon lassen sich vorbeugen und erfolgreich therapieren, wenn man aufhört Tiere zu essen. Bei Vegetariern, Veganern oder Rohköstlern wird der Frischkostanteil in der Ernährung erhöht.
Eine vegane Ernährung, ohne tierische Produkte, ist eine Achtung des Lebens: Je weniger Milchprodukte, Eier und Honig, umso besser. Denn die Produktion von Eiern, Honig, Milch, Butter, Quark, Joghurt und Käse ist meistens mit Tierleid, Ausbeutung, Massentierhaltung und Schlachtung verbunden. Man kann es nicht trennen. Je mehr tierische Produkte, auch Bio, man konsumiert, desto mehr unterstützt man dieses Leid.
Vegetarismus, insbesondere Veganismus, ist ein Lebensstil, der Mitgefühl, Achtsamkeit und Liebe zur Tierwelt, Natur und zum Planet Erde beinhaltet.
Fuchs: Als gebürtiger Vegetarier, besser gesagt als Veganer, wird man häufig mit Vorurteilen, wie Mangelerscheinungen verbunden. Denken Sie, dass vegane Rohköstler, Ihrer langjährigen Erfahrung nach zu urteilen, bestimmte Nahrungsergänzungsmittel benötigen bzw. bestimmte Spurenelemente und fetthaltige Vitamine, wie Vitamin A, E oder B12 supplementieren sollten?
Campos: Menschen, die Fleisch und Fisch essen, haben auch Mangelzustände. Die sogenannte „ausgewogene Ernährung” mit Fleisch und Fisch hat massive Nachteile in Form von Zivilisationskrankheiten, Tierleid, Umweltbelastung und Klimaveränderung. Die vegetarische oder vegane Ernährung kann zu Mangelerscheinungen führen, insbesondere bei Pudding-Vegetariern oder durch zu viel Koch-Kost. Das Kochen über 42 Grad zerstört Vitamine. Je mehr Kochkost, desto mehr Mangelzustände, Müdigkeit, Haut- und Augenprobleme, sowie Zivilisationskrankheiten zeigen sich.
Die Standard-Blutwerte der „normalen Bevölkerung” kann man nicht auf Veganer übertragen. Niedrige Werte bei Veganern bedeuten nicht immer Mangelzustand. Ähnlich wie bei niedrigen Blutdruckwerten bei Veganern, die in den meisten Fällen normal sind.
Eisen findet man genügend in der veganen Rohkost, z.B. in Petersilie, Shitake-Pilzen, Feigen, Datteln, Kürbiskern-Öl, Amaranth, Quinoa, Bio-Soja, Linsen, Wildkräutern wie Brennnessel, Sauerampfer uvm Der Vitamin B-12-Mangel oder die Eisenmangelanämie treten bei Veganern nicht häufiger auf als bei Nichtvegetariern. Der Mensch braucht nur kleine Mengen an Vitamin B-12 und der Körper speichert es über mehrere Jahre. Da wir Obst und Gemüse nicht mehr ungewaschen verzehren, ist es schwierig, Vitamin B12 aus natürlichen Quellen aufzunehmen. Wenn man beispielsweise die Möglichkeit hat, Wildkräuter ungewaschen zu verwenden, wäre dies eine gute Option.
Wenn niedrige Werte nachgewiesen wurden oder Bedenken bestehen bezüglich dieser Mangelerscheinung, ist zu empfehlen, ein- oder mehrmals pro Jahr ein Vitamin B-12-Präparat zu sich zu nehmen. Eisenmangel entsteht nicht nur auf Grund einer Fehlernährung, oftmals sind hier auch seelische Faktoren die Ursache.
Vitamin A und C befinden sich ausreichend in rohem Obst, Wildkräutern, Salat und Gemüse. Nur Veganern, die alles kochen, fehlt es oft an Vitaminen, da diese durch die Hitze zerstört werden. Vitamin E befindet sich ausreichend in Samen und in pflanzlichen Ölen in Rohkostqualität.
Fuchs: Immer mehr Menschen schließen sich einem (veganen) Rohkosttrend an. Die Gründe dafür liegen klar auf der Hand: Der Anstieg an Zivilisationskrankheiten. Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile einer solchen Ernährungsweise im Bereich Körper/Geist/Seele bzw. warum ist Ihr Herz mit Leib und Seele veganer Rohköstler?
Campos: Die immer häufigeren Skandale über Tiermissbrauch in der Massentierhaltung, die Betrügereien der Fleisch-Lobby oder die Krankheiten durch multiresistente Keime helfen auch, dass immer mehr Menschen sensibler werden und ihr Bewusstsein für Tiere und Planet Erde erweitern.
Die Vorteile der veganen Ernährung werden sehr gut dokumentiert in dem Film „Gabel statt Skalpell”: Die vielen Vorzüge der veganen Ernährung sind durch hunderte von wissenschaftlichen Studien bestätigt worden, u.a. auch in Bezug auf Tiere, Natur, Planet Erde, Klima und Umwelt, sowie Gesundheit und Psyche. Immer mehr Menschen entdecken, dass sie sich besser fühlen, wenn sie kein Fleisch, Fisch oder keine Milchprodukte essen.
Veganer sind die konsequentesten Vegetarier, weil sie mit ihrer Ernährungsart vielen Krankheiten vorbeugen und parallel dazu aktiv an Tier- und Umweltschutz teilnehmen.
Ich bin Veganer seit 25 Jahren und Rohköstler (90%) und Fruktarier dank der Vitalkostmesse „Rohvolution” im Speyer 2009 in Deutschland. Nur Rohkost allein ist nicht einfach, deswegen esse ich 1-2-mal pro Woche gekochte oder gebackene Nahrungsmittel wie Kartoffel, Reis, Hülsenfrüchte, Getreide oder Brot (wenig). Wenn wir Menschen uns alles verbieten, dann neigen wir zu Übertreibungen in anderen Bereichen oder zu Heißhunger-Attacken. Das Kochen von Nahrungsmitteln über 42 Grad zerstört wichtige Vitalstoffe und führt auf Dauer zu Mangelzuständen, Müdigkeit und Körperschwäche. Zu empfehlen wäre eine vegetarisch vegane Ernährung, mit mindestens 50% bis 80% Rohkost-Anteil, dazu täglich Wildkräuter und reifes Bio-Obst und -Gemüse.
Die Rohkosternährung hat viele Vorteile, da Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Samen und Wildkräuter im natürlichen Zustand ihre höchste Heilwirkung besitzen. Außerdem liefern sie so das vollste Maß an „heilenden” Stoffen, wie Vitamine, Enzyme, Chlorophyll, sekundäre Pflanzeninhaltstoffe und Biophotonen= Lichtenergie.
Die vegane Vitalkost – Rohkost – ist ein guter Weg zur Gesundheit. Deswegen verwende ich als Arzt die Vitalkost-Ernährung als Therapie: Ich erlebe fast täglich, dass Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten, Bluthochdruck, Hautproblemen, chronischen Allergien, Übergewicht, Diabetes, Rheuma, Burnout-Syndrom, Migräne, Depressionen, Krebs und anderen schweren Erkrankungen, durch eine Umstellung auf vegetarisch vegane Ernährung mit viel Rohkost, gesund werden.
Fuchs: „Ganzheitsmedizin – Vegetarismus – Spiritualität – Welche Botschaft hat meine Krankheit?« lautet der Titel Ihres Buches, das letztes Jahr erschienen ist. Welche Botschaft wollen Sie mit Ihrem Werk den LeserInnen näher bringen?
Campos: Wir leben in einer Zeit in der, trotz scheinbar großem medizinischem Fortschritt, immer mehr Menschen krank werden. Die Schulmedizin behandelt hauptsächlich die Symptome mit Medikamenten und Operationen. Die Ursachen vieler Krankheiten bleiben ihr verborgen.
Die Ursache der Krankheit wird in der Schulmedizin zu sehr im Äußeren auf materieller Ebene gesucht. Solange die moderne Medizin nicht erkennt, dass der Mensch sich seine Krankheit im weitesten Sinne selbst geschaffen hat, wird sie „blind” bleiben.
Schon als Medizinstudent war ich auf der Suche nach den wahren Ursachen von Krankheiten. Durch die praktische Arbeit mit vielen Patienten durfte ich mehrere Jahrzehnte lang einen Erfahrungsschatz über den geistigen Hintergrund von Krankheiten sammeln. Diesen habe ich in meinem Buch „Ganzheitsmedizin-Vegetarismus- Spiritualität” zusammengefasst und niedergeschrieben.
Früher, im kirchlich geprägten Mittelalter, wurde die Krankheit als Strafe Gottes angesehen. In der modernen Medizin werden die Ursachen im Äußeren gesucht, als Zufall der Genetik, Gen-Defekt, schlechte Erbanlagen, Altersverschleiß, Krankheitserreger oder Umwelteinflüsse. Eine ungesunde Lebensweise und Fehlernährung werden zwar auch als Ursache der Krankheit betrachtet, jedoch dagegen getan wird wenig oder gar nichts.
Die Botschaft, die ich durch mein Buch nahe bringen möchte, ist, dass Krankheiten nicht per Zufall auf uns zukommen. Sie haben einen tieferen Sinn. Eine Krankheit hat nicht nur eine Ursache, es ist die Summe mehrerer Faktoren! Krankheit ist ein Signal des Körpers oder der Seele. Eine Botschaft, die sagt, dass wir etwas falsch gemacht haben, in diesem oder in einem Vorleben. Die Ursache der Krankheit liegt in uns, meistens auf Grund von Disharmonien: Negativen Gefühlen, Gedanken, Worten, Handlungen, sowie ungesunder Ernährungs- und Lebensgewohnheiten.
Krankheit und Gesundheit haben ihren Sitz im Gehirn, in der Gefühls- und Gedankenwelt: Krank werden wir, wenn wir negativ senden in Form von Gedanken, Worten und Handlungen; wenn wir den Sinn des Lebens nicht erkennen und die Ego-Aspekte des Charakters nicht abbauen.
Im meinem Buch zeige ich, dass der Weg zur wahren Gesundheit über Selbsterkenntnis und positive Veränderungen geht. Wir sollten uns mit dem Sinn und der Botschaft der Krankheit auseinandersetzen. Veganismus und Vitalkost gehören zum Weg zur Gesundheit, sowie gelebte Spiritualität nach dem Gesetz der Liebe in Gedanken, Worten und Handlungen.
Im Buch gebe ich praktische Lebenswerkzeuge zur Gesundheit, über Vegetarismus, Veganismus, Rohkost, aber auch über andere Themen, z.B. wie kontrolliere ich meine Gedanken? Wie werde ich frei von Angst? Wie finde ich zu meiner Lebensaufgabe? Wie finde ich Frieden und Versöhnung mit meinem Nächsten? Gibt es Reinkarnation und ein Leben nach dem Tod? Gibt es einen Gott? Was ist der Sinn des Lebens? Denn das alles gehört zum Weg zur Gesundheit.
Ganzheitsmedizin ist eine Kombination von Naturheilkunde, Psychosomatik, Vegetarismus und Spiritualität. Diese Ganzheitsmedizin ist die Medizin, die ich als Arzt anbiete, weil es den Patienten ganzheitlich hilft.