Zum Sattwerden reichen eigentlich Linsen, Kohl und Karotten völlig aus. Was aber füllt unsere Einkaufswagen wirklich? Nudeln, Brot, Käse, Wurst, Schokolade. Die Abkehr von einer gesunden natürlichen Ernährung ist allerdings keine neuzeitliche Erscheinung. Eine erste Änderung der Nahrungsmittelzusammenstellung beim Menschen gab es bereits vor 10.000 Jahren mit Beginn der Sesshaftigkeit. Statt Früchte, Nüsse, Gemüse, Wildkräuter, Wurzel, Knollen und mancherorts auch Fleisch übernahm nun das neu angebaute Getreide die Herrschaft über den steinzeitlichen Speisezettel. Was aber hatte das Getreide den Menschen besonders zu bieten? Die überraschende Antwort: Es macht nicht nur satt, sondern auch glücklich- weil es eine Droge ist.
Das Gluten im Getreide, das Klebereiweiß, ist ein sogenanntes Exomorphin, ein waschechtes Opiat mit Suchtpotential. Diese Stoffe gleichen körpereigenen Substanzen, den Endorphinen (z.B. Serotonin), die für Glücksgefühle und Schmerzlinderung vom Körper ausgeschüttet werden, beispielsweise bei Verletzungen, Extremsport oder Fasten. Gluten macht uns glücklich, entspannt und zufrieden, wirkt frust und angstlösend und lässt eine angenehme Schläfrigkeit aufkommen. Wer kann da schon widerstehen?
Pharmakologisches Trostpflaster
Wie auch der Reis beglücken uns Getreide als pharmakologisches Trostpflaster bei körperlichem und seelischem Schmerz, so die Ernährungswissenschaftlerin Andrea Fock. Zugleich ist die abhängig machende Wirkung der Exorphine als Sucht auf Brot und Pasta spürbar. Da bekommt der „gläubige“ Wunsch „unser täglich Brot gibt uns heute“ eine völlig neue Bedeutung. Die Droge macht nicht nur süchtig, sondern hat auch gesundheitliche Folgen. Das Enzym Amylase im Mundspeichel verwandelt die Stärkemoleküle von Schrippen und Gebäck in Einfachzucker. Der durch die Erhitzung von Backen entstandene Getreidekleister wird jedoch kaum mehr verwandelt. Im Magen und Darm entstehen dann durch die Gärung Kohlensäure und Alkohol. Die Folgen sind Kopfdruck, Schmerzen, Entzündungen der Magen- und Darmschleimhaut und Beeinträchtigung von Hirn- und Nerventätigkeit.
Instinktumgehung
Nur: warum schmeckt das was uns schadet, so unverschämt lecker? Das hängt wahrscheinlich mit der primär positiven psychischen Wirkung zusammen. Was uns glücklich macht, schmeckt uns auch gut, weil unsere Suchtstruktur „Nachschub“ haben möchte und uns dann clever einen Wohlgeschmack vorgaukelt. Unser Instinkt wird dabei nicht nur ausgetrickst, sondern kann auch auf der rein materiellen Ebene gekochte oder gebackene Getreideprodukte nicht als schädlich erkennen, weil durch die Erhitzung auf über 42 Grad die Molekülstrukturen verändert werden. Durch diese Veränderung entstehen teilweise neue Stoffe, an die der menschliche Stoffwechsel, sich im Laufe der letzten 10.000 Jahre – eine relativ kurze Zeit für die Evolution- noch nicht hat anpassen können.
Tipp: Probieren Sie doch einfach einmal ein selbstgemachtes Brot aus Eicheln, Quinoa-Bananen-Pudding oder die Gourmet- Zucchini – Spaghetti von Boris Lauser (DVD: Die leckeren 12- Teil 2, erhältlich über Mark Weiland).
Text: Mark Weiland | Foto: gillyfish.com